Die innerrussische Auseinandersetzung zeigt: Die Ukraine wird bestehen

Die Mitglieder des Außen- und des Verteidigungsausschusses konnten sich an diesem Wochenende selten von ihrem Handy oder ihrer Internetverbindung trennen. Wir haben die Nachrichten vom kurzlebigen Aufstand von Prigoschin und seinen Wagner-Söldnern angespannt verfolgt.

Beim Wort Söldneraufstand denkt man an Karthago, an Rom oder die italienische Renaissance. Russland macht in diesen Tagen nicht den Eindruck eines modernen Staates. Wahr ist aber auch: Der Aufstand ist mittlerweile beendet und die Befehlskette funktioniert wieder. Russland hat immer noch riesige Ressourcen und darf nicht unterschätzt werden.

Das Ereignis zeigt erneut, dass der Krieg Russlands gegen die Ukraine mehrere Dimensionen hat. Er ist zum einen ein Krieg zwischen zwei Staaten um Grenzen und Bündniszugehörigkeiten. Er ist aber mehr als das: Der Krieg ist – zweitens – auch ein Konflikt zwischen Russland und Europa. Es ist nach dem Ende des Kalten Krieges nicht gelungen, ein Verhältnis zwischen Europa und Russland zu schaffen, das für beide Seiten akzeptabel ist.

Das rechtfertigt nichts. Es muss aber bei einer Lösung mit bedacht werden. Deswegen lautet meine Position: Wenn Russland seine politische Ausrichtung endet und Verantwortung für seine Taten übernimmt, muss es auch auch ein ehrliches Bemühen um ein besseres Verhältnis zwischen Russland und Europa geben. Nur darf das nicht zu Lasten anderer Staaten gehen. Auf absehbare Zeit werden wir Sicherheit in Europa ohnehin nur gegen und nicht mit Russland organisieren können.

Und der Krieg hat noch eine dritte Ebene: Er ist auch Ausdruck eines innerrussischen Konflikts um die „richtige“ Regierungsform für Russland. Putin sieht die Demokratie als eine Gefahr an. Auch deswegen geht er so fanatisch und grausam gegen die Ukraine vor und schont auch die Zivilbevölkerung nicht.

Meiner Auffassung nach sind die Russinnen und Russen absolut in der Lage, eine funktionierende Demokratie aufzubauen. Doch selbst wenn man der Auffassung ist, dass die freiheitliche Demokratie westlicher Prägung aus irgendeinem Grund zu Russland nicht passt, so wird doch sofort deutlich, dass das System Putin für die Russinnen und Russen überhaupt nichts zu bieten hat. Prigoschin hat das – bei allen seinen Verbrechen – deutlich erkannt. Diese Erkenntnis wird sich meiner Überzeugung nach in den kommenden Wochen und Monaten in Russland noch weiter verbreiten. Wir können Russland kein politisches System vorschreiben. Doch wir können die russische Zivilgesellschaft aber dabei unterstützen, diese Diskussion zu führen.

Was folgt daraus? Die Ukraine wird bestehen. Es gibt Probleme auf der russischen Seite. Die Ukraine dagegen ist sehr geschlossen. Unsere fortgesetzte Unterstützung der Ukraine ist somit richtig. Sie sichert den Bestand der Ukraine. Zudem verändert sie das russische Kosten-Nutzen-Kalkül und macht damit ein baldiges Kriegsende wahrscheinlicher.

Dieser Krieg darf nicht ewig dauern. Es muss auch Gespräche geben. Bei diesen Gesprächen sollten alle Dimensionen des Krieges sowie mögliche Lösungsansätze betrachtet werden. Von großer Bedeutung ist dabei aus meiner Sicht die Friedensinitiative mehrerer afrikanischer Staaten. Es ist gut, dass Afrika auf der internationalen Bühne seine Stimme erhebt. Derzeit ist am ehesten der globale Süden dazu in der Lage, eine erfolgversprechende Friedensinitiative zu starten. Deswegen ist es richtig, dass Bundeskanzler Olaf Scholz viele Gespräche mit den Staaten des Südens führt. Das erweckt Hoffnung.